Frauen (und Didgeridoo)
Hier sind die soziokulturellen und damit auch geschlechtsspezifischen Traditionen, Einstellungen und Praktiken der Aborigines in Bezug auf das Spiel des Didgeridoos durch Frauen gemeint, bezogen sowohl auf die eigene Kultur (Yolngu e.a.) als auch auf Frauen des 'westlichen Kulturkreises'.
In den letzten Jahren gibt es eine zunehmende Anzahl an Didgeridoospielerinnen, die auch international Präsenz zeigen, z. B. Lies Beijerinck (NL), Adèle (F), Augustina Mosca (ARG), Pamela Mortensen (USA), darüberhinaus auf nationaler/regionaler viele Vertreterinnen wie Didgulia Kitana Gri (A), um einige Nationalitäten abzudecken.
Wo immer sich Didgeridoo-SpielerInnen treffen, taucht daher häufig die Frage auf, ob Frauen denn überhaupt dieses Instrument spielen dürfen oder sollten. Hintergrund sind kursierende Behauptungen und Vermutungen, die Verunsicherung hinterlassen und deren Richtigkeit und Validität zu überprüfen ist. Verstärkt wird dies in jüngerer Zeit durch das Verhalten von Aborigines in einschlägigen Foren (z. B. auf Facebook)
Ausgehend von der vermeintlichen oder tatsächlichen Praxis und Legitimität des weiblichen Didgeridoo-Spiels in aboriginalen Lebensgemeinschaften, steht die ethische Problematik zur Klärung an, ob und inwiefern Frauen des 'westlichen Kulturkreises' dazu "berechtigt" sein können, das Didgeridoo zu spielen.
Der folgende Text stützt sich u. a. auf die von den „Hütern des Yidakis“, den Yolngu, authorisierte Webseite yidakistory.com/dhawu sowie zwei weitere als seriös einzuschätzende Textquellen (siehe unten).
1. Legitimität des Didgeridoo-Spiels von Frauen in aboriginalen Lebensgemeinschaften
Zunächst ist festzuhalten, dass ein generelles Spielverbot des Didgeridoos für Frauen im Sinne eines Tabus nicht zu bestehen scheint.
Stattdessen gibt es Hinweise darauf, dass die Haltung zu und der Umgang der Aborigines mit diesem Thema offenbar regional erheblich variiert.
Für die Ursprungsgebiete des Didgeridoos in Arnhemland ist das Didgeridoo-Spiel durchaus männlich besetzt: Das bedeutet, dass beim Gebrauch des Didgeridoos in den entsprechenden Zeremonien (sowohl »offene«, d. h. spielerische, alltägliche, handelsbezogene, als auch »beschränkte«, d. h. Begräbnisse, Initiationen, andere heilige Zeremonien ...) ausschließlich legitimierte, initiierte Männer das Instrument spielen. Gleichzeitig ergibt sich daraus, dass weder andere Männer noch Frauen das Didgeridoo zu diesen Anlässen spielen, da die Ausübung dieser Funktion sozial genau definiert bzw. reglementiert scheint.
Nach den Gesetzen und Gebräuchen der Yolngu spielen Yolngu-Frauen kein Yidaki. Das Yidaki-Spiel gehört nicht zu den überlieferten, als normal angesehenen Aufgaben- und Tätigkeitsbereichen der Frauen. Daher spielen Yolngu-Frauen in der Regel kein Yidaki, allenfalls in beschränkten Ausnahmefällen.
Darüber hinaus wird von einem Teil der Yolngu das Erlernen des Yidakis durch Frauen, die nicht zu den Yolngu gehören, akzeptiert und befürwortet. Verschiedene Yolngu-Männer unterrichten selbst das Yidaki-Spiel an Nicht-Yolngu-Frauen, nicht jedoch im Rahmen öffentlicher Ereignisse wie dem Garma-Festival, da andere Yolngu am öffentlichen Yidakispiel von Frauen Anstoß nehmen könnten (dargestellt nach yidakistory.com)
Für Zentral-Arnhemland scheint ähnliches zu gelten wie bei den Yolngu in Nord-Ost-Arnhemland. Demnach spielen Frauen in der Maningrida-Region das Didgeridoo nicht, weil etwa ein strenges Tabu bestünde, sondern eher deshalb nicht, weil das Didgeridoo-Spiel nicht als eine weibliche Tätigkeit angesehen wird (Murray Garde, The Didjeridu in Maningrida, [S. 19 Ausdruckversion; Übersetzung HS]).
Nach Barwick (1997: 90) sind auch aus dem Arnhemland Beispiele von Didgeridoo spielenden Frauen überliefert. Aus den Kimberleys und dem Golf von Carpentaria als den westlichen und östlichen Randgebieten der traditionellen Spielweisen liegen im Vergleich dazu aber offenbar weitaus mehr Nachweise für Didgeridoo spielende Frauen vor.
Strenge Tabus gelten verschiedenen Quellen zufolge dagegen in New South Wales (stellvertretend für den gesamten südlichen Bereich des Kontinents) Dieser sehr viel rigidere Umgang lässt sich nach Barwick (ebd.: 96) mit dem Verlust von Land, Sprache und Kultur erklären und den außergewöhnlichen Anstrengungen der dort beheimateten Australier, die verbliebenen oder adaptierten Kulturgüter (wie im Falle des aus dem Norden Australiens 'importierten' Didgeridoos) zu schützen.
Die Toleranz gegenüber Didgeridoo spielenden Frauen, insbesondere nicht-aboriginalen, ist anscheinend in den traditionellen Gebieten des Nordens im Vergleich zum Südosten ausgeprägter, sofern es sich um Formen informeller Nutzung handelt und nicht um das Spiel in öffentlichen Zeremonien und Kontexten (siehe oben).
Wenig scheint schließlich bekannt oder publiziert bezüglich der Einstellungen der Aborigines aus dem äußersten Osten, sowie dem Süden und Südwesten Australiens, also den übrigen Gebieten, wo das Didgeridoo erst im Laufe des 20. Jahrhunderts eingeführt wurde.
2. Legitimität des Didgeridoo-Spiels von Frauen des 'westlichen Kulturkreises'
Es ist unbestrittene Tatsache, dass führende Clan-Älteste bzw. Zeremoniespieler aus dem Arnhemland (z. B. Djalu Gurruwiwi, Milkayngu Mununggurr, David Blanasi) in unserer Kultur das weibliche Didgeridoo-Spiel nicht nur akzeptieren, sondern sogar Frauen im Spiel unterrichten bzw. unterrichtet haben. Das könnte damit zusammenhängen, dass ein Balanda (Non-Aborigine) ohnehin niemals den Gebrauch des Instrumentes im traditionellen Sinne erfassen, geschweige denn ausüben kann.
Für die Legitimität des Spiels von 'westlichen' Frauen sind aus der Sicht der Verfasser dieselben ethischen Gesichtspunkte heranzuziehen, die auch für 'westliche' Männer Geltung beanspruchen können:
Ein geeigneter Ausgangspunkt wäre die Anerkennung der Wurzeln und der Herkunft sowie der Bedeutung des Didgeridoos in der Kultur der Aborigines.
Davon ausgehend mag es verschiedene Möglichkeiten geben, zu agieren, wenn man oder frau auf australische Ureinwohner trifft und Didgeridoo spielen möchte.
In jedem Fall sollten die Aborigines vor Spielbeginn gefragt werden, ob es unangemessen bzw. für sie in Ordnung ist.
Referenzen:
Auf dieser Webseite sind neben einer Textdarstellung auch verschiedene O-Töne von Yolngu-Männern und –Frauen zum Thema zu lesen und zu hören.